Generelle Überlegungen

Das öffentliche Museum muss sich – im Unterschied zum privaten Sammler, der ohne Frage tun und lassen kann, was er will – einer Diskussion seiner Tätigkeit offen und öffentlich stellen. Diese Bereitschaft sollte auch in der Präsentation seiner Sammlungen zum Ausdruck kommen. Die Strategie, die ich zur Lösung diese Aufgabe entwickelt habe und hier zur Diskussion stellen möchte, baut auf folgenden Elementen auf:

 (1) Die Kriterien für den Auf- und Ausbau einer Sammlung und ihrer Präsentation müssen einerseits aus Fragestellungen jenseits der Grenzen der Kunstgeschichte und anderseits aus den konkreten Bedingungen im Gehäuse des jeweiligen Museums und seiner Geschichte entwickelt werden. Mit anderen Worten: ein Museum sollte seine eigene Fragestellung oder – neudeutsch ausgedrückt – seine Mission entwickeln und sie eindeutig definieren können.
(2) Für die Bewertung von zeitgenössischen Kunstwerken sind vor allem die durch sie selbst aufgeworfenen Fragestellungen relevant. Das Kunstwerk wird als eine Antwort auf diese Fragen verstanden und im Hinblick auf deren Komplexität analysiert. Im zweiten Schritt wird zu bestimmen versucht, in wie weit das Kunstwerk zur Entwicklung und Differenzierung des Museumsprogramms beitragen kann. Dabei ist die Frage, ob Museum und Kunstwerk konzeptionell unabhängig voneinander bestehen können, ein entscheidendes Kriterium.
(3) Die Übernahme eines Kunstwerks in das Museum ist als ein Akt der Integration zu verstehen: Das Museum kann und soll durch das Kunstwerk eine bestimmte Veränderung erfahren können. Andererseits soll das Kunstwerk mit den schon vorhandenen Werken eine Beziehung aufnehmen, im Sinne einer Assoziation freier Individuen Teil eines Gemeinschaftsprojekts werden, doch in der Gemeinschaft seine Autonomie behaupten können. Die Forderung schließt ein, dass Kunstwerke vor allem in Hinblick auf ihre Präsentation im Rahmen der Schausammlungen des Museums erworben werden sollten – und nicht als Ergänzung der Magazinbestände.
(4) Die Entscheidung für die Übernahme eines Kunstwerks soll mit Rücksicht auf den gesamten Sammlungsbestand getroffen werden. Dies muss nicht ausschließen, dass sich das Museum neue Arbeitsfelder eröffnet. Diese können auch durch Umgewichtungen bei der Präsentation der Sammlungsbestände entwickelt werden. Voraussetzung dafür ist die freie Verfügbarkeit über die Sammlungen innerhalb des Museums.[1]
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[1] Dies schließt die (leihweise) Übernahme von Sammlungen und Sammlungsblöcken, die von Dritten zusammengetragen wurden und geschlossen präsentiert werden müssen, aus.